Mittwoch, 23. Oktober 2013

50 Tage Frankreich - Endlich Ferien

So ganz 50 Tage sind es nicht, hab mich bestimmt verzählt, aber zumindest ist das ungefähr richtig. Ich habe mir überlegt alle 50 Tage Mal einen Überblick über die bisherige Zeit zu geben. Also jetzt nicht jedes einzelne Ereignis platt reden, sondern die Schwierigkeiten, die Entwicklungen und die Veränderungen zu beschreiben. 

Diese Zeit ist so unglaublich schnell vergangen und ich habe das Gefühl das wird 1. ein Satz den ich hier noch sehr, sehr oft verwenden werde und 2. es scheint alles sogar immer schneller zu vergehen. Als ich hier ankam war ich die ersten 2-3 Wochen einfach nur platt, habe geschlafen und geschlafen. Die ganzen Eindrücke sind so anstrengend zu verarbeiten, manchmal immer noch. In dieser Zeit ging es auch erstmal darum anzukommen, dich langsam heranzutasten. Ich habe zu dieser Zeit auch mehr englisch gesprochen und weniger Verstanden, sodass ich oft ziemlich planlos in der Gegen herumstand. Das habe ich glücklicher Weise überwunden, englisch ist wirklich keine Option mehr und das würde ich jedem empfehlen, der sich für einen Auslandsaufenthalt in einem nicht-englischsprachigen Land entscheidet. Nicht Mal um einzelne Worte zu übersetzen, das ist nicht der richtige Weg um eine Sprache zu lernen, einen Umweg über eine weitere Sprache nehmen. So kann man das Gefühl für die Sprache und die Ursprünge verschiedener Worte und ähnliches viel schwerer erlernen. Das mag schwierig klingen, vor allem am Anfang, aber je schneller man sich von dieser einfachen Art der Verständigung abwendet, macht man im Handumdrehen Fortschritte! Jetzt verstehe ich fast 80% davon was die Leute mir sagen, nicht jedes Wort, aber ich lerne aus dem Kontext zu lesen. Auch sprechen wird immer besser und flüssiger, manchmal fehlen mir noch die einfachsten Vokabeln und was das Vokabular angeht spreche ich wirklich noch etwas unbeholfen, aber ich werde verstanden und muss nicht mehr in jedem Satz korrigiert werden. 

Und wie geht's mir so mit all dem nach dieser Zeit? Ich muss sagen jetzt beginnt der Alltag, ich mach mir nicht mehr über jeden Schritt Gedanken und sitze bei Familientreffen nicht wortlos und unbeholfen auf meinem Stuhl. Ich integriere mich und werde integriert. Und damit hätten wir den zweiten wichtigen Punkt: Der Wille dich zu integrieren. Es ist natürlich klar, dass man sich Mal in sein Zimmer verziehen möchte und liest, ein wenig Kontakt zur 'Außenwelt' hält, aber man sollte es nicht übertreiben. Es war lange etwas schwer für mich, mich daran zu gewöhnen nicht alles gleich mit meiner Mutter/Vater, meinen  Freunden, meiner Schwester teilen zu können. Aber ich habe dann zum Glück bemerkt, dass es so gar keinen Sinn macht eine Erfahrung wie die, die ich jetzt mache damit zu verbringen mit den Gedanken wo anders zu sein. Also, Laptop aus und sich Mal zu seinen Gasteltern setzten und reden, worüber? Das kommt dann, vor allem zu Beginn weiß man noch nicht so viel übereinander und zumindest meine Gasteltern waren froh mir ein wenig über alles mögliche zu erzählen. Oder fragen ob man helfen kann. Ob ich das jetzt zu Hause in Deutschland immer mache? Das ist eine andere Sache, hier geht es darum da zu sein, präsent, der Familie zu zeigen, ich WILL euch kennen lernen, ich MÖCHTE ein Teil eurer Familie werden und ich MÖCHTE, dass ihr glücklich darüber seid, dass ich jetzt in eurem Leben bin. Und diese 'Arbeit' zahlt sich sicher aus! Man fühlt sich langsam nicht mehr so fremd und wenn man hilft (im Haushalt, mit den Kindern etc.), man hat das Gefühl, das was man macht macht Sinn, man fügt sich ein in das Familienleben und läuft nicht nur nebenher.

Der Dritte Punkt, der mich das ein oder andere Mal hart getroffen hat und der unglaublich schwer zu beschrieben ist, ist: Dinge sind anders. Und jetzt fragt ihr euch. Aber das ist einem doch klar, wenn man so etwas macht? Darin besteht doch die ganze Sache? Und ja, dass ist natürlich richtig, mit der ganzen Vorbereitung, der Zeit zum Nachdenken fühlt man sich gewappnet. Man meint zu wissen und sich darauf einstellen zu können. Sobald man dann aber mittendrin ist, erfährt man was mit Veränderung wirklich gemeint ist. Und das ist auf den ersten Blick nicht immer etwas schönes. Man wird aus seinem warmen, herzlichen Muster gerissen und landet im eiskalten Wasser. Und auf einmal sind da Menschen, die einen so anders behandeln und sehen. Menschen, bei denen du dir in hundert Jahren nicht vorstellen kannst das ihr Mal Freunde werdet. Auf ein Mal ist da diese Ruhe (wenn man wie ich von 3.5 Millionen auf 3500 Einwohner schrumpft) und die ganze Zeit und was fängt man nur damit an, wenn es so scheint als würde es nichts wirklich zu machen geben. Das war die Zeit in der ich verglichen habe, immer, egal wie sehr ich mich gesträubt habe. Darauf bin ich nicht stolz, aber zu verstehen war 'damals' so schwer. Am Anfang ist man alleine, egal wie herzlich eine Gastfamilie ist, egal wie nett die Mitmenschen sich kümmern. So lange man selber noch nicht da ist, die Sprache nicht so wirklich funktioniert, zeigt man diesen Menschen nicht sein wirkliches ICH, man ist nur ein Teil seiner selbst und einige Zeit hing ein Teil von mir noch in Deutschland. Jetzt, nach all dieser anfänglichen Zerrissenheit, bin ich da, bin ich ich. Ich verstehe wieso die Menschen hier anders sind, mich anders behandeln, Dinge anders meinen. Das scheinen Tatsachen zu sein, die von Anfang an klar sein sollten, aber zu Anfang ist man erstmal mit sich beschäftigt. Im Großen und ganzen weiß man 'es wird anders', aber die Frage ist eigentlich 'wie anders wird es?'. Einem wird beigebracht mit dem 'Andersein' umzugehen, man soll offen und lernwillig sein, aber mit der genauen Situation wird man erst konfrontiert, wenn man vor ihr steht. Ich war glücklich mit meinem Leben in Berlin, es war (verhältnismäßig) 'einfach' und doch wollte ich weg. Denn einfach ist langweilig und mit einfach werde ich nicht wachsen. Ich bin auch zufrieden mit mir selbst, aber ohne wirklich (wieder) einen Teil von mir zu verlieren muss ich einsehen: umstellen, einstellen gehören dazu. Man selbst muss sich ein wenig verändern, nicht unbedingt in seiner Persönlichkeit (mit der bin ich dann ziemlich einverstanden), sondern mit kleineren Dingen, im Umgang mit Menschen, mit ungewohnten Situationen, Missverständnissen etc. Man gibt einen kleinen Teil von sich (auf Zeit) auf um einen neuen kennen zulernen. Das hat mir Angst gemacht, aber jetzt weiß ich, diese zeitweilige Veränderung hilft mir mich weiterzuentwickeln, mich besser in andere, neue Situationen und Menschen einzufühlen und mit diesem Ziel vor Augen kann und will ich das Schritt für Schritt schaffen. Es heißt nicht als komplett umgewandelte Person nach Hause zurückzukehren, es heißt nur man ist um viele Erfahrungen reicher, die man nie erfahren hätte, hätte man es sich in seinem 'einfachen' Leben zu bequem gemacht. (Dazu muss ich aber noch sagen, das ich persönlich ein Mensch bin, der in seiner Persönlichkeit bereits gereift ist, ich weiß wer ich bin und was ich will, ich werde hier keine 180° Drehung vornehmen, denn das möchte ich gar nicht. Jedoch weiß ich das es Leute gibt die ein Auslandsjahr machen und genau das wollen, für die kann ich in diesem Fall nicht sprechen. Vielleicht kann ich sagen: Ihr müsst noch viel offener und bereitwilliger auf das Ganze zugehen, euch noch mehr fallen und formen lassen, euch finden).

Nach diesem langen, verwirrenden, aber wichtigen Abschnitt zu meinem letzten Punkt: Das Vermissen. Ich bin kein 'Hiemwehmensch', aber das heißt nicht das ich hier bin und sofort aufhören an all das zu denken das für mich sechszehn Jahre ALLES bedeutet hat. Hinzu kommen sowas wie 'Stimmungsschwankungen', ich bin froh und zufrieden über den einen Moment und im nächsten verstehe ich nichts mehr, bin leer. In den traurigen Momenten habe ich lange gedacht 'das kann nicht wieder gut werden', aber nach 3 Minuten oder so, war es wieder vergessen, es machte auf einmal Sinn. Und im großen Bild 'Auslandsjahr' macht das ziemlich viel aus. Man ist getrennt von dem Gewohnten, einfach ohne 'Schutz', Dinge prasseln ungefiltert auf einen ein. Manchmal ist es zu viel, aber irgendwann kommt die Zeit des 'Ahhh!' und man versteht und lässt sich von ungewohnten Situationen nicht mehr so umhauen und schaut dann eher auf die schönen Zeiten. Und damit meine ich nicht die Zeiten, die man vor dem Auslandsjahr hatte, die war wirklich auch schön, aber wenn ich all die guten Dinge nur in der Vergangenheit sehe, wie kann ich dann in der Zukunft tolles schaffen? Ich denke dann eher an die kleinen, guten Dinge, die ihr geschehen. Das sind die, die dazu führen das ich mich hier wohl fühle. Um nochmal auf das Vermissen zurück zu kommen: Man muss sich beschäftigen, mit allem möglichen was JETZT da ist. Vielleicht lesen, schreiben, Menschen sehen. Auf keinen Fall, wenn man so ein kleines Tief hat, an Freunde, Familie und 'war doch alles besser' denken, das macht es nur viel schlimmer. Denn wenn ich mich (wie gestern) mit 10 super Französinnen zum bummeln treffe bleibt wenig Zeit um 'früher' zu vermissen, es macht keinen Sinn um ehrlich zu sein.

Das war aber ein Überblick! Und wahrscheinlich der 'ratgeberischste' oder lehrreichste Eintrag von allen. Neben den 'Was passiert gerade?'-Einträgen, werden aber demnächst auch weiterhin Tipps und Hilfen kommen. Um eine ausgewogene Mischung aus allem was mein Jahr hier zu bieten hat zu kreieren.

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